Das Projekt ist konzipiert als Bestandteil des interdisziplinären Forschungsschwerpunktes des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande "Köln im Spätmittelalter und der Frühneuzeit". Die in vier starken Quartbänden (knapp 2600 Blatt) erhaltenen "Memoiren" Hermann Weinsbergs stellen eine zentrale Quelle für die Geschichte der Stadt Köln und ihres Umlandes in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dar. Bisher ist diese Quelle nur in einer nach heute nicht mehr maßgeblichen Auswahlkriterien erstellten, normalisierten Teiledition zugänglich. Diese Weinsberg-Edition, die noch nicht einmal die Hälfte der erhaltenen Texte erschließt, ist von Historikern verschiedener Forschungsrichtungen (vor allem auch Kultur-, Medizin-, Mentalitäts- und Alltagsgeschichte) intensiv genutzt worden. Dabei wurde zunehmend deutlich, dass die Auswahlpublikation vielen Anforderungen nicht gerecht werden kann. Die übergangenen Textpassagen beschäftigen sich überwiegend mit Themen wie körperlicher Befindlichkeit, Familiennachrichten, Nachbarschafts Beziehungen und Alltagsgeschehen. Erst in ihrer Gesamtheit lassen diese ein abgerundetes Bild der Lebensumstände des Chronisten entstehen und eröffnen zugleich die Möglichkeit, den Stellenwert der einzelnen Themen in den Erinnerungen zu bestimmen. Im Hinblick auf das Phänomen des Erinnerns in all seinen Facetten ist auch die Berücksichtigung aller mehrfach berichteten Ereignisse von Interesse.
Um derartige Forschungen zu ermöglichen, wurde wiederholt eine Volltextausgabe angeregt. Diesem Wunsch will das von Historikern und Germanisten seit März 2002 durchgeführte interdisziplinäre DFG-Projekt des Instituts für geschichtliche Landeskunde nachkommen. Das Projekt wird von den Abteilungen Rheinische Landesgeschichte und Sprachforschung des Instituts durchgeführt.
 
Arbeitsgruppe: Prof. Dr. Manfred Groten, Dr. Wolfgang Herborn, Dr. Walter Hoffmann, Prof. Dr. Thomas Klein, Dr. Robert Möller, Tobias Wulf, studentische Hilfskräfte: Nicole Born, Michaela Pape, Eva Mispelbaum, Eva Büthe, Manuel Hagemann, Melanie Wooßmann.
 
 
 
In einem ersten Arbeitsschritt werden die in der Edition übergangenen Passagen unter Berücksichtigung aller relevanten Merkmale der Vorlage transkribiert. Die Transkription setzt mit dem Liber Senectutis ein. Die Art der Erfassung durch Kodierung möglichst vieler Merkmale der Vorlage ermöglicht intensive sprachgeschichtliche und paläographische Recherchen. Die diplomatischen Transkriptionen werden anschließend normalisiert und in eine retrodigitalisierte Version der alten Edition eingearbeitet, so dass ein digitaler Volltext verfügbar wird. Über die Form der digitalen Publikation wird die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, die das Projekt unterstützt, zu gegebener Zeit entscheiden. Der neu erstellte Text wird sukzessive mit sprachgeschichtlichen und historischen Auswertungsinstrumenten verknüpft.
 
 
 
Empfohlene Zitierweise der Beiträge auf dieser Seite: Die autobiographischen Aufzeichnungen Hermann Weinsbergs — Digitale Gesamtausgabe, URL: <http://www.weinsberg.uni-bonn.de/ Forschung. htm> (Datum).
 
 
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TRANSKRIPTION
 
a. Die Transkription der Aufzeichnungen Weinsbergs erfolgt im DOS-Text. Dies hat den Vorteil, dass selbst große Datenmengen nur wenig Speicherplatz in Anspruch nehmen. Zudem erlaubt der verwendete ASCII-Code eine umfassende Kennzeichnung der Sonderzeichen und Textstruktur.
 
b. Es wird von Readerprinterkopien der auf Mikrofilm abfotografierten Originalquelle aus dem Historischen Archiv der Stadt Köln transkribiert. Im Unterschied zum normalisierten Text der vorliegenden Teilausgabe von Weinsbergs Werk werden dabei die handschriftlichen Gegebenheiten in Schreibung und Seitengestaltung einschließlich der Marginaleinträge genau erfasst (dies ist insbesondere Voraussetzung für eine sprachwissenschaftliche Auswertung auf der graphonematischen Ebene).
Um die Textgestaltung Weinsbergs genau abzubilden, wird in ein vorher erstelltes Zeilengerüst hinein transkribiert (dies ist, neben einem Beitrag zur Übersichtlichkeit, insbesondere Voraussetzung für die Erstellung einer Wortformenliste). Die Randeinträge Weinsbergs werden am Ende jeder Seite gesondert erfasst und können später den entsprechenden Stellen im Text zugeordnet werden. Wo eine bereits edierte Passage beginnt, wird ein Vermerk eingesetzt, um die retrodigitalisierte Fassung später automatisch einfügen zu können. Der entsprechende Abschnitt selbst wird nicht transkribiert. Um eine spätere automatische Umwandlung des so transkribierten Textes in eine den heutigen Lesegewohnheiten stärker entsprechende Fassung zu ermöglichen, wird die Textstruktur zusätzlich markiert.
Auch bzgl. der Schreibung bemüht sich das Forschungsprojekt um eine buchstabengetreue Wiedergabe der Quelle. Dies gilt auch für u/v und i/j sowie Fehler der Vorlage (die ggf. mit einem Kommentar versehen werden). Abkürzungen werden kodiert und können später sowohl im Sinne der Handschrift wiedergegeben als auch für eine Leseausgabe aufgelöst werden. Auch die sehr gewöhnungsbedürftige Groß-/ Kleinschreibung sowie die Interpunktion Weinsbergs werden übernommen, jedoch ebenfalls zusätzlich gekennzeichnet, um eine spätere Normalisierung zu ermöglichen.
 
c. Bei der Kommentierung hält sich das Forschungsprojekt im Gegensatz zu anderen Editionen deutlich zurück. Es werden keine inhaltlichen Fragen angemerkt, sondern lediglich sprachliche oder graphische Besonderheiten, z.B. Einfügungen oder Korrekturen Weinsbergs, unsicher lesbare Stellen, ungewöhnliche Zeichen etc.
 
 
 
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NORMALISIERUNG
 
Um eine Angleichung der im Rahmen des Forschungsprojektes transkribierten Textpassagen mit den Abschnitten der Edition und dem 6. Band ("Der Kirchmeister von St.Jakob", z.Zt. von Herrn Dr. Oepen bearbeitet), zu erreichen und die Lesbarkeit trotz der in erster Linie auf Forschungsinteressen ausgerichteten Transkriptionsrichtlinien zu gewährleisten, muss von Beginn an auf die Möglichkeit der Transformation von diplomatischer zu normalisierter Version geachtet werden. Nachdem die Textblöcke fertig gestellt sind, sollen sie deshalb automatisch normalisiert werden. Anschließend können sie mit der retrodigitalisierten Version der Edition zusammengefügt werden (um dem interessierten Besucher dieser Web-Site aber auch einen umfassenden Einblick in die Gestaltung des Originals zu gewähren, wird eine diplomatische Version zur Verfügung gestellt, die um alle Kodierungen bereinigt wurde, die im Rahmen der Transkription nötig waren).
 
a. Zunächst wird eine Normalisierung der Graphien vorgenommen. Dies betrifft insbesondere die i/y/j-Schreibung sowie die Buchstaben u/v/w. Zudem wird die Verwendung des Dehnungs-h und der Gebrauch von Konsonantenhäufungen (nur Verdopplungen) angeglichen. Alle weiteren Eingriffe der Edition in den Originaltext wären zwar technisch möglich gewesen, wurden aber nicht übernommen, da sie den Verantwortlichen wenig sinnvoll erschienen (z.B. Vereinheitlichung der s-Schreibung, Tilgung von b nach m). Abkürzungen werden in Kursive aufgelöst (Weinsberg verwendet hauptsächlich einige lateinische Kürzel, Abkürzungen für Maßeinheiten sowie den Nasal-/ Überstrich). Abbruchkürzungen verschiedener Art werden wie heute üblich mit Punkt abgekürzt.
 
b. Die Textgestaltung wurde weitgehend normalisiert. Die Interpunktion wurde, soweit dies der Originaltext zulässt, den heutigen Lesegewohnheiten durch ein aufwendiges System von Markierungen angenähert. Die Groß-/ Kleinschreibung wurde der Edition angeglichen: nur Eigennamen und Satzanfänge werden groß geschrieben. Ebenso wurde die Textstruktur verändert: die Zeilenzählung des Originals wurde aufgehoben und der Text nach Abschnitten untergliedert (wie in der Edition sind die Seitenangaben des Originals in eckigen Klammer eingefügt). Im Gegensatz zur Edition wurde allerdings versucht, auch die Absatzgestaltung Weinsbergs zu berücksichtigen, indem (deutliche) Abstände in der Lesefassung als Zeilenumbrüche übersetzt wurden. Die Randeinträge wurden zunächst entfernt. Sie können später, wie in der Edition, als Überschriften dienen.
 
c. Alle Anmerkungen werden in digitale Fußnoten umgesetzt (noch nicht in dieser Vorabveröffentlichung im Internet enthalten). Dies betrifft Kommentare zum kodikologischen Befund sowie nachträgliche Einfügungen und Korrekturen Weinsbergs. Unsicher Lesbares wird in der Leseausgabe durch einen etwas helleren Schrifttyp gekennzeichnet (nur bei Unsicherheiten in der Getrennt-/ Zusammenschreibung wurde die vermutete Form kommentarlos übernommen). Die nachträglich eingefügten Passagen der Edition sind durch einen anderen Schrifttyp abgesetzt.
 
 
 
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AUSWERTUNG DER NAMEN/ WEITERE FORSCHUNGEN
 
Nach Transkription und Normalisierung folgt als letzter Schritt der Bearbeitung der Aufzeichnungen Weinsbergs im Rahmen des Forschungsprojektes die Auswertung der Namen.
 
a. Die Kennzeichnung der Namen mit r@, f@ und p@ (für Ruf-, Familien- und Personennamen) sowie o@ (für Ortsnamen) schon während der Transkription erlaubt es, alle Namen automatisch aus dem Text herauszufiltern. Aufgrund der variierenden Schreibweise bzw. dem Auftreten mancher Namen für verschiedene Personen muss jedoch der Vorgang manuell begleitet werden. Dabei werden die Namen kategorisiert (Trennung von Orts- und Personennamen, Unterteilung der Ortsnamen in verschiedene Kategorien, z.B. Stadt, Land etc.), mit Kennziffern versehen und spezifiziert. Die Kategorisierung erlaubt die Erstellung eines differenzierten Namenregisters und ermöglicht zusammen mit der Kennung eine gezielte Suche im Gesamttext.
 
b. Die Spezifizierung bereitet die geplante Auswertung des Namenbestandes von historischer Seite vor: Ziel ist der Aufbau einer umfassenden Datenbank, in der alle im Text vorkommenden Namen enthalten sind. Mithilfe einer Erfassungsmaske werden dabei signifikante Merkmale, die sich aus den Tagebüchern Weinsbergs erheben lassen, gespeichert. Die Angaben werden später durch Einbeziehung paralleler Quellenüberlieferungen überprüft und ergänzt werden. Die Namen werden verlinkt, so dass auch aus dem Text heraus ein Zugriff auf die gesammelten Informationen möglich sein wird.
Aufgrund der einzelnen Merkmale und ihrer Verknüpfung lassen sich gesellschaftliche Netzwerke unterschiedlicher Genese, Ausprägung und Intensität sowie Kommunikationsformen innerhalb einer großstädtischen Gesellschaft und zwischen Stadt und Umland sichtbar machen. Der Vergleich mit anderen schon verfügbaren Daten (z.B. Ratslisten, Amtsleutelisten, Bruderschaftsverzeichnisse etc.) bietet Möglichkeiten, die Weinsbergsche Lebenswelt aus der Perspektive des gesamtstädtischen Kontexts zu betrachten und damit ihre Konturen und Grenzen zu bestimmen. Anhand der Weinsbergschen Verwandschafts- und Bekanntschaftskreise lässt sich exemplarisch auch das Stadt-Umland-Verhältnis untersuchen, das für Köln noch nicht aufgearbeitet ist.
In weiteren Projektphasen sollen die Aufzeichnungen Weinsbergs für ausgewählte Jahre nach behandelten Themen analysiert und mit der Tagesordnung der parallelen Ratsprotokolle, die auf Mikrofilm verfügbar sind, verglichen werden. Auf der Grundlage dieses Materials lässt sich Weinsbergs Wahrnehmung des städtischen Lebens der des Rates als allzuständige städtische Obrigkeit gegenüberstellen. Dabei soll anhand einer Analyse der Quellen Weinsbergs der Umfang der Rezeption offizieller Verlautbarungen (z.B. Edikte) ermittelt werden. Aus einer solchen Analyse ergibt sich ein exemplarisches Bild der Außenwirkung des städtischen Regiments.
Ein weiteres (Fern-)Ziel ist die Aufbereitung der Sozialgeschichte Kölns im Zeitalter der Konfessionalisierung. In europäischer Perspektive nimmt Köln eine Schüsselposition im Formierungsprozess der konfessionellen Gesellschaft ein. Die autobiographischen Aufzeichnungen Weinsbergs gewähren einmaligen Einblick in individuelle Wahrnehmungsprozesse und Deutung gesellschaftlicher Veränderungen.
 
c. Für die Sprachwissenschaft wird durch die Kennzeichnung der Namen eine Auswertung des Namengebrauchs und der onomastischen Entwicklungen (Festwerden von Familiennamen, Rufnamen-'Mode' etc.) möglich. Der appellativische kann auf allen Ebenen (graphonematisch, morphologisch, syntaktisch und lexikalisch) ausgewertet werden. Insbesondere bilden die Weinsberg-Aufzeichnungen für den kölnisch-rheinischen Wortschatz des 16. Jahrhunderts eine der Hauptquellen für die Ausarbeitung eines bisher fehlenden historischen Rheinischen Wörterbuchs. In der sprachgeschichtlichen Regionalforschung gilt Weinsberg als eine Art Kronzeuge für die gemeinsprachliche Modernisierung der rheinisch-kölnischen Schriftlichkeit in der "Achsenzeit" des 16. Jahrhunderts.
Im weiteren Verlauf des Projekts ist eine Lemmatisierung der digitalisierten Aufzeichnungen beabsichtigt. Aufgabe der Aufbereitung mit Programmen, die Th. Klein und R. Möller für spät- und hochmittelalterliche Quellen entwickelt haben und die inzwischen gut erprobt sind, ist eine automatische Vor-Lemmatisierung des Namens- und Wortbestandes. Dabei werden zum einen gleichlautende, graphisch aber differente Namen und Wortformen zusammengeführt und damit für die Erschließungsschritte aufbereitet, zum anderen wird den Wortformen ein Lemmatisierungsangebot zugeordnet. Dabei nutzen die beteiligten Programme die Ergebnisse der schon erfolgten Lemmatisierung die Ergebnisse mittelalterlicher rheinischer Quellen. Der lemmatisierte Wortindex soll Grundlage eines Weinsberg-Glossars/ -Wörterbuchs sein. Für die Sprachgeschichtsforschung wird damit erstmals ein fast 40 Jahre geführtes Tagebuch aus der sprachlichen Umbruchzeit des 16. Jahrhunderts für Untersuchungen auf allen Ebenen der Schriftsprachlichkeit (Graphematik bis Syntax und Wortschatz) systematisch erschlossen.
 
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